Kurz vor Port Hardy biege ich auf eine logging road (Schotterstraßen, die Zubringer zu den Baumfällgebieten sind). Sie dehnt sich wie ein Flusssystem aus und verästelt sich in immer weitere Seitenarme. 50-60 km Waldgebiet liegen vor mir. Kanada ist der größte oder zweitgrößte Holz”produzent” der Welt (je nach Quelle). Britisch Kolumbien ist zu 68% bewaldet und die Holzwirtschaft ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor in Britisch Kolumbien.
Von Andreas Janthur
Inmitten des Straßennetzes liegt Holberg, ein kleiner Holzfällerort. Eine Tanke mit angeschlossenem Tante-Emma-Laden, eine Bar, ein Mini Post office, ein paar Häuser und das Areal der Logging Company mit schwerem Gerät. Ich rolle mit einem Halbplatten vor die Tankstelle. Miloš, der Ladenbesitzer schüttelt lächelnd den Kopf, zu viel Druck auf den Reifen, kaum Profil und nicht für das Gewicht meines Campers ausgelegt. “Gute Reifen sind mit das wichtigste hier” sagt er, während er den Reifen flickt. Im Reifenwechseln bin ich mittlerweile Profi. Gäbe es ein Seepferdchen in Jacking (etwas mit dem Wagenheber anheben), würde ich es in Angriff nehmen. Hochjacken, sichern, was unterlegen, weiterjacken. Bei mir sind es bislang Pfosten und Trucks gewesen, aber alles ist denkbar. Haus zu klein? Dann jacken wir es doch hoch, bauen einen zweiten Stock drunter und setzen das alte Haus drauf.
Aber zurück zum Hier und Jetzt. Ich befinde mich wieder auf dem Weg, ein geliehenes Reserverad (meins passt nicht, wie ich bei dieser Gelegenheit feststellen musste), ein Kompressor für den Zigarettenanzünder und ein Funkgerät für den Notfall im Gepäck . Das Funkgerät ist für eine 2-Tage-Wanderung im Cape Scott Provincial Park gedacht, damit ich notfalls die Küstenwache erreichen kann. “Da ist nämlich niemand außer Dir im Januar. Keine Ranger und keine anderen Wanderer.” Ich weiß nicht, ob ich die Sorge teilen soll, es soll keine schwere Strecke sein, aber ich bin dankbar für die Hilfsbereitschaft. Mein Ziel ist der Leuchtturm von Cape Scott. Anfang des 21. Jahrhunderts wurde zwei Mal versucht das Gebiet zu besiedeln, was aber beide Male scheiterte. Zu beschwerlich war der Weg, zu abgelegen das Gebiet, mangelnde Einnahmequellen, so dass die meisten es nach wenigen Jahren wieder verließen, obwohl zeitweilig 600 Personen dort lebten. Die Natur hat sich alles zurück geholt. Wo einst Holzhäuser standen ist fast nichts zu sehen, außer ein paar rostiger Gerätschaften. Der Pfad zum Leuchtturm ist nicht schwer, aber sehr schlammig und rutschig. Der Name tempered rainforest (gemäßigter Regenwald) macht dem Gebiet Ehre, nur zur 2-Tagestour nicht, worüber ich sehr glücklich bin. Nichtsdestotrotz steht 5 km vor dem Leuchtturm alles wadenhoch unter Wasser. Wetlands. Ich springe noch 100 m von matschigem Flecken zu matschigem Flecken bis es nicht mehr geht, ziehe die Schuhe aus und steige ins Wasser, es ist eiskalt und sticht an den Füßen. Wenige Minuten wate ich so durch die Gegend, aber da das Ende nicht absehbar ist und ich meine Füße nicht mehr spüre, kehre ich um und wandere an eine andere Bucht wo ich zelte. Die See ist ruhig, aber ihre Kraft lässt sich erahnen. Am oberen Teil des Strandes liegen riesige Baumstämme wie abgewetzte Zahnstocher durcheinander, hingeworfen von der Kraft der Wellen.
Als ich wieder aus dem Park komme, treffe ich Chris. Er hat zottlige schottische Hochlandrinder und wohnt auf einer abgelegen Farm nahe des Parks. Auf seinem Handy zeigt er Bilder von gestellten Pumas. 130 kg schwere Katzen, die auch Hochlandrinder reißen können. Tatzen fast so groß wie seine Hand. Ich bin froh, dass ich keiner begegnet bin. Chris hat mal eine Nacht im Generatorschuppen verbracht, weil daneben ein Puma saß und er nicht ins Haus zurück konnte.
Tags darauf hat mich der Asphalt wieder – ohne Panne diesmal.
Impressionen:
Alle Bilder dieses Beitrages © Andreas Janthur
Über den Autoren Andreas Janthur:
Hat Medieninformatik in Wernigerode und Madrid studiert. Standbein ist Berlin, zur Zeit arbeitet er Kanada. Für Projekte ist Janthur weltweit tätig. Die Sprachen Englisch und Spanisch beherrscht er als Fremdsprache auf Arbeitsniveau.
Andreas Janthur kann in folgenden Bereichen tätig sein: Konzeption und Beratung von Filmprojekten, Umsetzung von gestalterisch ansprechenden und hochwertigen Aufnahmen, Filmschnitt und Animationen, Postproduktion von Live-Action-Inhalten für Fulldomefilme.
http://andreasjanthur.de/