Irgendwie kommt mir Lieutenant Kojak in den Sinn, als ich neben Mike Farrell im Flugzeug sitze. Keine Ahnung, warum. Äußerliche Ähnlichkeiten mit dem Inspector der Mordkommission Manhattan Süd gibt es nicht. Nur eine Angewohnheit haben der glatzköpfige Telly Savalas und der hemdsärmelige Pilot gemeinsam: ein Lolly zwischen den Lippen. Für den Chef von Corilair ist der Postflug von Campbell River auf Vancouver Island zu den abgelegenen Inseln ebenso Alltag wie für Kojak die Verbrecherjagd. Von Gefahr für Leib und Leben ist während unserer Flüge mit der De Havilland Beaver aber keine Rede.
Zugegeben: Diese Aussage stimmt nur halb. Farrell und die sechs Passagiere, die mit ihm in die enge Maschine klettern, ihre Kopfhörer mit Mikro von der Schnur über ihnen nehmen und sich brav anschnallen, geraten zwar nicht in Gefahr. Trotz des blauen Himmels spricht Mike aber von aktuell „einigen der schwierigsten Bedingungen“ für das Wasserflugzeug. Abhängig von Temperatur, Ladung und Wind braucht die Maschine zwischen 35 und 1800 Meter Anlauf zum Abheben. Vom Corilair-Dock in der Nähe des Hafens der „Welthauptstadt des Lachses“, wie sich das Touristenstädtchen im Zentrum der Insel gerne selbst bezeichnet, nähern wir uns mit halber Kraft der von vielen Booten befahrenen Quathiaski Cove zwischen der 450 Kilometer langen Vancouver Island und der zehn Fährminuten entfernten Quadra Island. „Wir haben viel Ladung, es ist ziemlich heiß und fast windstill“, erklärt der erfahrene Pilot grinsend. Wir brauchen also Platz für den Start. „Man muss auf die Temperatur achten, damit der Propeller nicht überhitzt. Das begrenzt in dieser Jahreszeit, wie hoch wir fliegen können. Und heute ist es f… hot.“ Frei übersetzt sind das knappe 30°C. Er gibt Gas, die Maschine macht zwei sanfte Hüpfer, an den Kufen spritzt Gischt auf und nach einigen Sekunden heben wir fast unmerklich von dem glatten Wasser ab. […]
Mehr von Walter Kreuzers Postflug in 360° Kanada Ausgabe 02/2013 ab S. 38.
Author
Christine Walter