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Kolumne von Bernadette Calonego – Bergsturz beim Crowsnest-Pass

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Wusstet ihr, dass …

… man das Trümmerfeld des tödlichsten Bergsturzes in Kanada immer noch besichtigen kann und es heute noch aussieht, als ob es erst vor kurzem passiert wäre?

Am 29. April 1903 um vier Uhr morgens brach eine Flanke des Turtle-Berges ab und begrub einen Teil des Minendorfes Frank in heutigen Alberta unter rund 82 Millionen Tonnen Fels. Die riesigen Steinbrocken donnerten in rund neunzig Sekunden ins Tal und auf der anderen Seite die Hügelhänge hoch. Schätzungsweise siebzig bis neunzig Menschen kamen um, die Überreste der meisten liegen immer noch unter den Felstrümmern begraben. Auch zwei Ranches verschwanden. Siebzehn verschütteten Arbeitern in der Kohlenmine gelang es, einen Tunnel an die Oberfläche zu graben und so zu überleben.

Seit dem Bergsturz hat der Turtle Mountain zwei Gipfel

Riesige Felsbrocken haben sich den Weg ins Tal gebahnt und alles unter sich begraben. Foto ©Bernadette Calonego
Riesige Felsbrocken haben sich den Weg ins Tal gebahnt und alles unter sich begraben. Foto ©Bernadette Calonego

Die indigenen Stämme der Gegend hatten schon früh erkannt, dass der Turtle-Berg nicht stabil war. Sie nannten ihn den „Berg, der sich bewegt“ und vermieden es, in seiner Nähe ihre Zelte zu errichten. Zum Bergsturz dürften mehrere Faktoren beigetragen haben, aber gefährlich war, dass eine ältere Kalksteinschicht in Form eines Überhangs auf weicheren Schichten aus Sandstein und Schiefer ruhte. Trotzdem wurde in Frank 1901 eine Kohlenmine gebaut, deren Gebäude alle zwei Jahre später unter den Bergmassen begraben wurden. Im April 1903 trug auch ungewöhnlich warmes Winterwetter, gefolgt von eiskalten Nächten, zur Spaltenbildung im Gestein bei.

Als sei es gestern gewesen, das Fels- und Geröllfeld des Felssturzes am Turtle Mountain. Foto ©Bernadette Calonego
Als sei es gestern gewesen, das Fels- und Geröllfeld des Felssturzes am Turtle Mountain. Foto ©Bernadette Calonego

Faszinierend an Frank Slide ist die Tatsache, dass das Bergsturzgebiet bis heute praktisch intakt blieb. Man kann immer noch die heruntergestürzten Felsmassen und die angerichtete Verwüstung sehen. Im Museum, das am Rand des Geländes gebaut wurde, erfährt man mehr über die Geschichte dieser Naturkatastrophe. Zum Beispiel über die wundersame Rettung der zweijährigen Gladys Ennis, die vor ihrem Haus im Schlamm lebend aufgefunden wurde. Sie starb 1995 als letzte Überlebende der Katastrophe.

Das Bergsturzgebiet zieht jährlich mehr als 100.000 Touristen an. Der Ort Frank ist heute Teil der Gemeinde Crowsnest Pass an der Grenze zur Provinz British Columbia. Die Kohlenmine war noch einige Jahre in Betrieb und wurde dann 1907 geschlossen. Der Turtle-Berg, der seit dem Bergsturz zwei Gipfel hat, steht unter ständiger wissenschaftlicher Beobachtung.

Museum Frank Slide Interpretive Centre

Auch mehr als 115 Jahre nach dem Felssturz hat sich in dem Trümmerfeld nur zögerlich neue Vegetation angesiedelt. Foto ©Bernadette Calonego
Auch mehr als 115 Jahre nach dem Felssturz hat sich in dem Trümmerfeld nur zögerlich neue Vegetation angesiedelt. Foto ©Bernadette Calonego


Author

Journalistin, Auslandskorrespondentin, Krimiautorin, Abenteurerin: Bernadette Calonego lebt und arbeitet seit über 20 Jahren in Kanada. Sie teilt ihre Zeit zwischen der Sunshine Coast nahe Vancouver und dem Norden Neufundlands. Jahrelang hat sie regelmäßig Berichte für die Süddeutsche Zeitung, den Tages-Anzeiger in Zürich und den Standard in Wien verfasst. Heute konzentriert sie sich auf ihre Kanada-Krimis. Ihr neuestes Buch "Kalte Klippen" spielt in Neufundland. Bernadette Calonego besitzt sowohl den kanadischen wie auch den Schweizer Pass und liebt Kanada immer noch genauso heiß wie am Tag ihrer Auswanderung.

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