Das Fantasie-Bild von Kanada waere kaum vollstaendig ohne die “Mounties”, die “Royal Canadian Mounted Police” (RCMP) in ihren scharlachroten Uniformjacken, dazu noch auf ihren schwarzen Pferden reitend. Einer weltweiten Umfrage nach sind die RCMP-Reiter mit ihren roten Uniformjacken und den charakteristischen Hueten eines der bekanntesten Symbole eines Landes. Besonders der Hut mit seiner vierkantigen Krone und dem kreisrunden Rand erregt immer wieder Aufmerksamkeit.
Aber kaum jemand kennt heute die Geschichte des “Mountie-Hutes”.
Seine Herkunft ist in der amerikanischen Geschichte zu finden. Die verschiedenen Armee- und Polizei-Truppen im Westen der USA trugen meistens Cowboy-Huete. Die waren teilweise unpraktisch weil viele von ihnen gewoehnlich oben eingebeult waren und somit Regenwasser ansammelten. Sie wurden teilweise von ihren Traegern umgeformt mit einer Spitze und vier Beulen, welche das Wasser ablaufen liessen. Dieser Hutstil wurde zuerts als “Montana Peak” bekannt, spaeter auch als “Citrus-Press” (Zitronen-Presse).
Die British South Africa Company, eine kommerzielle Privatfirma modelliert auf dem Erfolg der British East India Company, versorgte ihre Mitglieder in 1889 mit Hueten, welche auf dem amerikanischen Modell basiert waren. Allerdings waren es “Schlapphuete” mit einem floppigen Rand. In den zwei Boer-Kriegen wurden dieselben Huete von den britischen Soldaten getragen. Auch diese Huete wurden von ihren Taegern nach amerikanischem Vorbild mit vier “Regendellen” versehen.
Bei der Diamant-Feier der Thronbesteigung der Koenigin Victoria in 1897 trug das kanadische Kontingent (immer noch inoffiziell) den flachrandigen NWMP Stetson-Hut, so wie er von der RCMP noch heute getragen wird. Erst In 1904, nach der koeniglichen Anerkennung der NWMP, wurde er offiziell als Kopfbedeckung der Truppe eingefuehrt.
Der “Boer-Krieg” von 1899 bis 1902 in Sued-Afrika war Kanada’s erste Militaer-Expedition in einem anderen Land. Mehr als 8,000 Kanadier voluntierten, und mehr als 7,000 Kanadier dienten dort “for Queen and Country”, viele von ihnen ehemalige Cowboys oder Mitglieder der para-militaeren North West Mounted Police.
Als persoenliche Note: Mein Grossvater kaempfte als Voluntaer ebenfalls in Sued-Afrika, aber auf der “falschen Seite”. Nach dem Ende der Boer-Kriege in 1902 verbrachte er 10 Jahre dort in britischer Gefangenschaft.
Major General Sam Steele, ein beruehmter Klondike-Offizier der NWMP aus Bracebridge in Ontario, kommandierte das kanadische Kontingent in Afrika als Teil des Strathcona Regiments. Es war total privat rekrutiert finanziert und ausgeruestet von Lord Strathcona. Die hohen Stiefel der RCMP werden noch heute oft als “Strathcona Boots” betitelt. Steele fuehrte auch den praktischen RCMP Stetson inoffiziell als Kopfbedeckung fuer die Berittene Brigade in Afrika ein.
Einer der fuehrenden Offiziere und Fuehrer der “Scouts” in der Strathcona- Brigade war Baron Baden-Powell, der in der Boer-Belagerung von Mafeking durch den Sieg der Briten ueber die Boer in 1900 zum englischen Nationalhelden wurde. Als Belohnung bekam er eine Lordship.
Baden-Powell war begeistert von dem steifrandigen Vierbeulen-Hut der Kanadier und fuehrte ihn nicht nur fuer sein Regiment ein, sondern fuer die gesamte britische Streitmacht unter seinem Kommando. Er bestellte geich 10,000 der Huete fuer die britischen Truppen in Sued-Afrika.
Nach dem Ende seiner Dienstzeit in Afrika gruendete Lord Baden-Powell in England die “Boy Scout” Organisation, basiert auf seiner Afrikanischen Scout-Brigade. Er entwarf die gesamte Boy Scout Uniform nach dem Muster seiner Scout-Truppen in Afrika, natuerlich inklusive des kanadischen RCMP Hut.
Die Geschichte des Boy Scout Hutes ist fuer mich persoenlich besonders interessant. Als einer der ersten Pfadfinder nach dem 2. Weltkrieg trug ich stolz einen der ersten der Stetson Boy Scout Huete in Deutschland, ein Geschenk von meinem Onkel aus den USA.
Die verschiedensten offiziellen Truppen in den USA tragen heute Huete von der gleichen Form wie die der RCMP, z.B. die Kavallerie-Regimente und das Marine Corps der US- Armee, sowie die US Border Patrol und die National Park Rangers. Sogar die Dallas Polizei in Texas traegt sie. Und “Smoky the Bear”, das US-Symbol fuer Wildfeuer-Verhuetung, traegt ihn seit 1944.
In Kanada’s neuerer Geschichte war ein Hut im RCMP-Stil von der Ontario Provincial Police von 1909 bis in die 1930’er Jahre ein Teil ihrer Uniform. Von 1997 bis 2009 wurde er noch einmal als ihr offizieller Hut designiert.
Wenn ich heute einen Hut trage (was selten passiert) ist es ein Original- “Akubra” aus Australien, ein Bush-Hut aus Hasenfell-Filz. Praktisch seit 1912 ein Nachkomme des NWMP-Stetson, denn Akubra produziert heute in Australien die Stetson-Huete. Die Australischen Truppen-Kontingente in beiden Weltkriegen trugen “floppy” Akubra-Huete.
Die Firma Stetson, gegruendet in 1865, fabrizierte allerdings nicht nur den Mountie-Hut sondern auch eine grosse Auswahl anderer Huete fuer diverse Anwendungen. Sie ging in 1986 bankrott, aber der Name existiert noch. Heute werden die Huete von der Firmengruppe “Pro-Equine Group” in Texas fabriziert. Die Gruppe produziert und verkauft unter anderem Produkte fuer Rodeos wie Sattel, Seile und anderes Zubehoer.
Der RCMP Stetson Hut schuetzt allerdings nicht die Ohren im harten Winter Kanada’s. Dann wird von den Offizieren die charakteristische Kappe aus den Pelzen von “Muskrats” (Bisamratten) getragen, dessen Klappen die Gesichter und Ohren mehr als ausreichend schuetzen.
Muskrats sind nicht verwandt mit dem Biber, sondern gehoeren zu derselben Familie wie Wuehlmaeuse und Lemminge.
Die Anti-Tierfell-Aktivisten der “Association for the Protection of Fur Bearing Animals” the “Fur-Bearer Defenders”) und die “People for the Ethical Treatment of Animals” (PETA) wollen nun durchsetzen, dass die Offiziere im Winter “Touques” aus Wolle tragen, um die Bisamratten zu schuetzen, weil jede RCMP Kappe drei Felle benoetigt. Ein Grossteil der Muskrats wird heutzutage allerdings auf Farmen aufgezogen.
Die RCMP will die Anti-Tierfell-Leute befriedigen und hat die Woll-Touques bereits ausprobiert und als zufriedenstellend gefunden.
Aber die kanadische Regierung hat die Touques aus Wolle abgelehnt, weil das Fell-Geschaeft fuer Kanada immer noch Profit und viele Arbeitsplaetze mit sich bringt.
Touques (auch Tuques oder toques geschrieben) sind praktisch gesehen Woll-Schlaeuche, die an einer Seite zusammen genaeht und oft, wie Ski-Muetzen, mit einem Pompom versehen sind. Allerdings nicht an den fuer die RCMP geplanten Touques.
Tuques sind seit dem 12. Jahrhundert ein beliebter Kleidungs-Artikel fuer Maenner und Frauen. Der Name stammt wahrscheinlich aus der Breton-Sprache in Frankreich, wo diese Kopfbedeckung “toq” genannt wurde.
Eine rote Touque wurde in Ost-Kanada in 1837 das Symbol der “Patriotes Rebellion”, als Zeichen des Franzoesischen Nationalismus und als Protest gegen die britische Herrschaft ueber “Lower Canada”. In 1960 erweckte die “Front de Liberation de Quebec” (FLQ). die rote Touque nochmals fuer ihre terroristischen Kampagnen in Kanada, welche Entfuehrungen, Morden und Bomben-Attacken ausartete und zum ersten Mall in Kanada den Ausnahme-Zustand herbei brachte.
Touques haben heute in Kanada mehr einen humoristischen als einen geschichtlichen Ruf. Die Komoedianten Rick Moranis und Dave Thomas verkoerperten seit 1980 mehrere Jahre lang im Fernsehen die Urtypen der Bier trinkenden “doofen” Luftkoepfe Bob and Doug die, mit Winterkleidung und Touques bekleidet, in ihrer Parodie “Great White North” ueber diverse Elemente der kanadischen Kultur kommentierten, durchsetzt mit dem inzwischen internationalen bekannten stereotypen “Eh” nach fast jedem Satz. Natuerlich werden Kanadier noch heute oft so in den humoristischen Medien beschrieben.
Wenn man also einen RCMP-Offizier in Zukunft mit einer “Pudelmuetze ohne Pudel” im Winter sieht, sollte man das mit einem leichten Laecheln als “geschichtliche Entwicklung” seiner Kopfbedeckung quittieren!
Es stimmt allerdings kaum mit dem Fantasie-Bild der Mounties ueberein!
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