Über Schiffbrüchige, Weltumsegler, Walforscher – und Nebel
Von Mechtild Opel
Ein wunderschöner Tag, kein Wölkchen trübt den Himmel über Nova Scotia, als wir das Festland durchqueren – und nun plötzlich kann man keine 50 Meter weit sehen! Auf dem Weg zu einer erneuten Walbeobachtungstour erleben wir diesmal, dass die Bay of Fundy ihren Spitznamen „Bay of Fog“ (Nebelbucht) gelegentlich zu Recht trägt – nicht gerade ein vielversprechender Anblick. Was soll da aus der geplanten Bootstour werden?
Dennoch fahren wir weiter, hügelab, hügelauf auf dem Digby Neck, einer langen, stellenweise nur zwei bis drei Kilometer breiten Landzunge aus Basaltgestein, die noch um zwei Inseln verlängert wird, die sich hintereinander nach Südwesten in die Bay of Fundy erstrecken. Von Zeit zu Zeit schimmert links die St. Mary’s Bay durch den Nebel. Dann zeigt sich erstmals ein Loch in den Wolken und eine Ahnung von Sonnenschein – wenn auch nur vorübergehend. Mit der Autofähre setzen wir über die Petit Passage nach Tiverton auf Long Island über und erreichen nach 15 weiteren Kilometern Freeport am Ende der schmalen Insel. Wir sind nun wieder optimistisch, denn jenseits der 500 Meter breiten Grand Passage können wir Brier Island im Sonnenlicht erblicken. Doch plötzlich breitet sich wieder dichter Nebel aus und versperrt die Sicht vollständig. Wir wundern uns, mit welcher Sicherheit die erfahrenen Fährleute die Autofähre quer zu einer starken Strömung ins Unsichtbare hinüber nach Brier Island steuern und tatsächlich genau am Anleger von Westport ankommen, der erst im letzten Moment aus dem Nebel auftaucht.
Diese kleine Insel, das westlichste Ende der Provinz Nova Scotia, ist nur zweieinhalb Kilometer breit und sieben Kilometer lang, ein ziemlich unauffälliges „Ende der Welt“, aber umgeben von einem der reichsten Meeresbiotope unseres Planeten. Lange vor der dauerhaften Besiedelung kamen jeden Sommer Angehörige der First Nations mit ihren Kanus auf die Insel, um die hier im Überfluss vorhandenen Fische zu fangen, die sich in Schwärmen bei den unterseeischen Felsvorsprüngen und Basaltstufen an der Einmündung zur Bay versammelten. Dieser Fischreichtum führte dann auch zur Ansiedlung der ersten europäischstämmigen Fischerfamilien in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Den Fischern folgten die „Loyalisten“, königstreue Umsiedler aus den ehemals britischen Kolonien der nunmehr unabhängigen Vereinigten Staaten von Amerika, darunter Handwerker und Händler, die den Hafenort Westport begründeten.
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